„Das größte Entwicklungspotenzial steckt in unserem Werkstoff.“

Interview mit der Geschäftsführung zum 20. Jubiläum von CEP Freiberg

Ein Unternehmen, das zur Kategorie der „Hidden champions“ zählt, spricht nicht viel von sich. Außer vielleicht, es feiert einen runden Geburtstag. Dann ist ein kurzer Einblick erlaubt. Wie also sieht es aus bei CEP Freiberg, wohin soll die Reise gehen? Im März 2024 standen Katrin Möhler und Thomas Weichold, die beiden Geschäftsführer von CEP Freiberg, Rede und Antwort zu ihrem Unternehmen. Die Fragen stellte Michael Schmidt.

Katrin Möhler und Thomas Weichold leiten gemeinsam CEP Freiberg

Zwanzig Jahre CEP Freiberg: Was fällt einem angesichts dieser Zahl spontan ein, wenn man verantwortlich dafür ist, dass es weitergeht?

Katrin Möhler:
Im Tagesgeschäft gibt es kaum Gelegenheit fürs Zurückschauen, jetzt aber ist schon so ein Augenblick, in dem man es tut. Ich staune, was in diesen 20 Jahren alles entstanden ist, quasi aus dem Nichts heraus und mit so wenig Leuten. Selbst bin ich ja erst 2014 dazugestoßen. Da war CEP Freiberg schon auf einem guten Weg. Ich denke, bei Thomas, der schon länger dabei ist, muss der Effekt noch größer sein.

Thomas Weichold:
Jetzt, da ich gefragt werde: Zwanzig Jahre überlebt zu haben und zwar mit Erfolg, das ist schon was. Ich habe noch einen Teil der „wilden Jahre“ mitgemacht, von denen kürzlich die Rede war. Die aufregende Zeit damals, als wir ECKA Granules Technologie und Ausrüstung abkauften – das lief wie ein Automatismus ab. Langes Nachdenken war nicht möglich. Aber es hat funktioniert. Ich durfte damals schon mitentscheiden, obwohl ich dazu noch gar nicht die Position hatte. Wolfram Möhler, der Chef und Firmengründer, wollte, dass es nach dem Vier-Augen-Prinzip geschah. Es hat mich aber auch nicht erschreckt, denn bevor ich zu CEP Freiberg kam, war ich ein paar Jahre lang selbstständig gewesen. Das Entscheiden-Müssen war ich also gewohnt. Allerdings:
Damals ging es buchstäblich um Sein oder Nichtsein. Wie stabil es dagegen heute läuft!

Wolfram Möhler ist 2022 in den Ruhestand gegangen. Fragen Sie ihn dennoch manchmal noch um Rat, so wie das in Familienunternehmen zumeist üblich ist?

KM:
Ja. Meist geht es um Detailfragen zur Werkstofftechnik im Zusammenhang mit neuen Projekten. Da fragen wir dann meinen Vater: Hatten wir so was schon mal? Haben wir damals Anwenderforschung betrieben und wenn ja, wo sind die Unterlagen? Aber die Fragen werden inzwischen seltener, und so soll es ja auch sein.

TW:
Auch wenn große Investitionen anstehen, beziehen wir Wolfram stets mit ein. Schließlich ist er ja immer noch Gesellschafter von CEP Freiberg.

Katrin Möhler, der besonderen Konstellation wegen geht diese Frage an Sie: Wie fühlt es sich an, in die Fußstapfen des Vaters zu treten?

KM:
Ich habe das Gefühl, dass ich meine Aufgaben beherrsche. Mein Job macht mir Spaß. Was ich von anderen zurückgespiegelt bekomme, steht zumindest nicht im Widerspruch hierzu. Unsere Kunden haben längst akzeptiert, dass ich jetzt die Verantwortung trage. Sie fragen, wie es meinem Vater geht und lassen ihn schön grüßen.

Sie haben zuerst Architektur studiert, Katrin Möhler, und sogar ein paar Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Dann haben Sie noch mal von vorn angefangen: Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Werkstofftechnik. Geschah das mit Blick auf das, was Sie jetzt tun?

KM:
Ja. Wie soll ich es sagen? Bald vermisste ich das Innovative im Architekturberuf. Hingegen sah ich am Unternehmen meines Vaters, mit welcher Innovationskraft die Werkstofftechnik ausgestattet war. Es wurde mir aber tatsächlich erst mit der Zeit klar, dass mich gerade das reizte. Wäre ich in einer anderen Situation gewesen, hätte es mich womöglich trotzdem nicht zum Berufswechsel veranlasst. In dem Fall aber lag die andere Option direkt vor meinen Füßen. Hinzu kamen zwei weitere Erkenntnisse, die ich schon im Verlauf des Architekturstudiums gewonnen hatte: Technik interessierte mich, Wirtschaft auch. Also fing ich noch mal von vorne an. Davon abgesehen, helfen mir meine Architekturkenntnisse heute bei den Bauvorhaben hier im Unternehmen.

Trotzdem, als Mutter zweier kleiner Kinder ein Unternehmen zu leiten – da bleibt es doch nicht aus, dass die Anderen auch mal schnell einspringen müssen. Wie funktioniert das?

TW:
Vielleicht sollte erst mal ich darauf antworten: Wir sind ein eingespieltes Team. Wenn eine oder einer von uns kurzfristig ausfällt, dann genügt eine kurze Absprache um festzulegen, wie die Aufgaben verteilt werden müssen. Das funktioniert gut.

KM:
Bei CEP Freiberg sind die Meisten in einem ähnlichen Alter und damit in einer ähnlichen Situation wie ich. Sie haben Familie und Kinder. Dass die auch mal krank werden, lieg auf der Hand. Da gibt es einen Grundkonsens. Er gilt bis dahin, dass man trotzdem tut, was man kann. Klar arbeite ich auch zuhause.

Was machen Sie beide anders als der Gründer?

KM:
Was mich betrifft: Ich arbeite im Gegensatz zu meinem Vater mehr mit Instrumenten zur Steuerung und zum Controlling der Abläufe, so wie ich es im Studium gelernt habe. Vielleicht kommuniziere ich auch mehr als er und sage dabei mitunter sehr deutlich, wie Dinge gemacht werden sollen. Vielleicht ist dies aber nicht nur Ergebnis meines anderen Ausbildungshintergrundes, sondern auch der Unterschied zwischen den Generationen. Egal, woher es rührt: Ich denke, es ist wichtig, ein wachsendes Unternehmen anders zu führen als eines in der Gründungsphase. Mein Vater würde mir darin wohl nicht widersprechen.

TW:
Grundsätzlich machen wir gar nicht so viel anders. Wolframs bedächtiges, auf Langfristigkeit angelegtes Vorgehen hat sehr gut funktioniert. Wir werden nicht auf einmal übermütig. Neu aus meiner Sicht ist, dass wir jetzt, da wir es können, mehr auf gute Arbeitsbedingungen in Form neuer Arbeitsmittel und Hilfsmittel achten. Das gilt z.B. für moderne Technik zur Handhabung unserer schweren Vorprodukte und Halbzeuge bei der Bearbeitung.

Wo soll es in den nächsten Jahren mit CEP Freiberg hingehen?

TW:
Das größte Entwicklungspotenzial steckt in unserem Werkstoff. Das System ist lange noch nicht ausgereizt, was Werkstoffzusammensetzung und Verarbeitung angeht. Aber hier kommt wieder das bedächtige Vorgehen ins Spiel. Wir werden keine gigantischen Forschungsprojekte ins Blaue hinein lostreten. Schließlich können wir unsere Produktion nicht in ein Technikum für Anwenderforschung verwandeln.

KM:
Beim Werkstoff sehe ich derzeit vor allem zwei Entwicklungsschwerpunkte. Zum einen ist das die Schweißtechnik. Bekanntlich arbeiten wir gerade an besonders langlebigen Stromkontaktdüsen, die sich für Spezialverfahren des Auftragsschweißens eignen. Hier geht es um additive Fertigung. Das Ergebnis wird, so hoffen wir, Entwicklungsschübe auch an anderer Stelle der Branche bewirken. Zum anderen arbeiten wir an Komponenten für Mikrosystemtechnik, Elektronenstrahltechnik und auch Nukleartechnik. Diesen Branchen liefern wir Bauteile, die in besonderem Maße jene Eigenschaftskombination mitbringen, die wir „LT“ nennen – Leitfähigkeit und Temperaturbeständigkeit; dies oft noch kombiniert mit Strahlenbeständigkeit. Hier betreiben wir wirklich intensive Anwendungsforschung. Unsere Werkstoffpalette fächert sich im Detail gerade immer weiter auf; wir gewinnen ständig neue Erkenntnisse. Auch das führt hoffentlich zu Ansätzen für neue Anwendungen.

Wollen Sie eine Wachstumsprognose stellen?

TW:
Wir setzen uns keine abstrakten Umsatzziele; es gibt nur eine Strategie, und die heißt: wohlüberlegtes Wachstum. Alles andere ist unrealistisch, wenn man die kaum kalkulierbar sich ändernden Rahmenbedingungen betrachtet, Stichwort: Rohstoffpreise.

CEP Freiberg ist ein Familienunternehmen, nicht nur den Eigentumsverhältnissen nach, sondern bislang auch atmosphärisch. Welches Signal sendet das Ihrer Meinung nach in den Arbeitsmarkt – Stichwort: Fachkräftemangel?

KM:
In der Umgebung spricht es sich inzwischen herum, dass CEP Freiberg eine Firma ist, in der man „mit Familie in einer Familie“ arbeiten kann. Andere würden vielleicht von „Work-life balance“ sprechen; ich tue mich mit solchen Begriffen etwas schwer.

TW:
Freiberg ist eine KMU-Region. Daher gibt es hier auch eine Arbeitnehmerschaft, die entsprechend geprägt ist. Die Leute schätzen das Familiäre. Man muss es ihnen nicht erst schmackhaft machen. Der Fachkräftemangel bereitet uns noch nicht so große Sorgen wie anderen Unternehmen. Es liegt daran, dass einige Tätigkeiten bei uns auch von lernwilligen Quereinsteigern ausgeführt werden können. Man braucht dazu keine hochspezialisierte Berufsausbildung. Wie gesagt, das gilt nur für einen Teil der Tätigkeiten. Im Übrigen sind wir auch beim Personal auf das schon genannte, wohlüberlegte Wachstum aus.

Welche Sorgen macht CEP Freiberg als energieintensivem Metallurgie-Unternehmen die Entwicklung der Energiekosten?

TW:
Die Energiekosten machen uns in dem Maß weniger Sorgen, da wir aktiv daran arbeiten sie zu senken. Wir haben unsere Wärmerückgewinnung, wir haben Photovoltaik, und darüber hinaus tauschen wir sukzessive alte energieintensive Elektroantriebe bei den Anlagen gegen moderne energieeffiziente aus. Das macht sich in Summe deutlich bemerkbar. Im Übrigen ist CEP Freiberg ein überschaubares und somit gut handhabbares Unternehmen, auch in puncto Energie.

CEP Freiberg ist geradezu das Paradebeispiel eines „Hidden champions“. Schon am
anderen Ende der Straße kennt es kaum noch einer. Sollten das Unternehmen etwas
mehr für seine Bekanntheit tun?

KM:
So „hidden“ sind wir gar nicht mehr, zumindest nicht für jenen Teil der Fachwelt, die unsere Werkstoffe braucht und dem der Markt wenig Alternativen bietet. Dass uns die breite Öffentlichkeit nicht kennt, spielt hingegen nur eine geringe Rolle. Das ist der Vorteil eines Nischendaseins. Hinter den Kulissen arbeiten wir außerdem mit Nachdruck an unserem Netzwerk, ganz besonders, was die Forschungskapazitäten angeht. Hier bauen wir unsere Kontakte zur Werkstoffforschung in Freiberg, Dresden und Chemnitz aus.