Dreißig plus
Mittels CIP und direktem Strangpressen lässt sich auch Stangenmaterial großen Durchmessers aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen erzeugen
Stangenmaterial aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen entsteht bei CEP Freiberg normalerweise durch indirektes Strangpressen. Das begrenzt den Durchmesser auf maximal 30 Millimeter. Doch auch Stangen großen Durchmessers sind prinzipiell möglich. Konkret: 80 Millimeter, unter Umständen sogar mehr. Dazu heißt es auf direktes Strangpressen umzuschwenken. Zuvor muss man sich noch etwas einfallen lassen, um die entsprechend voluminösen Grünlinge zu erzeugen. Die Lösung heißt: CIP.
Ideal für Zwischengrößen
Mit dem indirekt stranggepressten, bis zu 30 Millimetern dicken Stangenmaterial, in dem CEP Freiberg seine Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe liefern kann, lassen sich viele Anwendungen abdecken. Schließlich geht es in den meisten Fällen um Kleinteile. Anderseits hatten wir auch schon davon berichtet, dass für die Erzeugung einzelner Großteile ein Alternativverfahren bereitsteht: das heißisostatische Pressen (HIP). Aber manchmal geht es eben um mittelgroße Teile, und die dann in Serie. Veritable Zwischengrößen also. Einmal sollte beispielsweise in größerer Stückzahl ein spezieller Zentrierdorn entstehen, ein anderes Mal eine spezielle Elektrode. Der größte Bauteildurchmesser betrug jeweils 35 Millimeter, also fünf zu viel für indirektes Strangpressen und andererseits viel zu kostenintensiv als HIP-Teil. Glücklicherweise konnte CEP Freiberg trotzdem Halbzeug liefern. Es gab da einen kleinen Vorrat an besonders dickem Stangenmaterial: 80 Millimeter Durchmesser! Aus ihm ließen sich sogar je zwei Bauteile nebeneinander herausarbeiten! Wie war dieses Material entstanden?
Auf direktem Weg geht mehr
Schon seit einigen Jahren erprobt CEP Freiberg die Herstellung von Stangen größeren Durchmessers mittels direkten Strangpressens. Beim indirekten Strangpressen wird der mit Material gefüllte Rezipient gegen den feststehenden Hohlstempel mit der Matrize gedrückt. Das ergibt eine gleichmäßige Kräfteverteilung und ein sehr homogenes Gefüge im Strang. Im Gegensatz dazu drückt beim direkten Strangpressen der Stempel das Material von hinten durch den Rezipienten direkt in die Matrize – ähnlich wie bei einer Injektionsspritze. Das direkte Verfahren ist robuster und kraftvoller als das indirekte. Also lassen sich mit ihm größere Materialmengen verpressen. Ergebnis: Stangen mit größerem Durchmesser.
Grünling per CIP
Darüber, dass zum Strangpressen zunächst ein locker gepresstes Vorprodukt, der Grünling, erzeugt werden muss, hatten wir bereits geredet. Die Grünlinge für unsere indirekte Strangpressen sind recht klein und leicht; CEP Freiberg kann sie durch Kaltpressen mühelos selbst erzeugen. Grünlinge für die großformatige direkte Strangpresse hingegen haben etwa 250 Millimeter Durchmesser und wiegen mehr als 100 Kilogramm. Um sie zu erzeugen, bedarf es eines speziellen Verfahrens: das kaltisostatische Pressen (Cold-isostatic pressing, CIP). Auch das hatten wir schon einmal anklingen lassen – und gleich wieder auf Parkposition geschoben. Heute kommen wir nun darauf zurück. Beim CIPpen wird das Granulat des pulvermetallurgischen Ausgangswerkstoffs (in unserem Fall also des Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffs) in einen Formbeutel aus Gummi geschüttet. Formbeutel heißt er, weil er die Form des späteren Grünlings vorwegnimmt – in unserem Fall also eine zylindrische. Der gefüllte Formbeutel wird verschlossen und in eine Druckkammer gegeben, die bei Raumtemperatur einen sehr hohen, gleichmäßigen, allseitigen Druck erzeugen kann: nicht selten bis zu 6.000 bar. Erzeugt wird der Druck über ein flüssiges Medium, sehr oft einfach Wasser. Hier unterscheiden wir zwischen zwei Verfahrenstypen:
- Nassbeutel-Verfahren und
- Trockenbeutel-Verfahren.
Bei ersterem taucht der Formbeutel direkt ins Medium ein, bei letzterem steht noch eine flexible Umhüllung dazwischen (meist ebenfalls aus Gummi). In unserem Fall kommt das Nassbeutel-Verfahren zur Anwendung. Mit Druckaufbau, Haltezeit und Druckabbau dauert ein Pressvorgang etwa eine Stunde. Der so entstehende Grünling weist bereits einen beachtlichen Verdichtungsgrad von ca. 70 Prozent auf. Wen diese Verfahrensbeschreibung ein wenig an diejenige des hydrostatischen Strangpressens erinnert, das zur Herstellung unseres Verbundrohrs angewandt wird, dem sei gesagt: Ja, der Grundgedanke ist in der Tat derselbe. Es geht um die ideale Druckverteilung durch das flüssige Medium.
Was es noch auszuprobieren gilt
Bekanntlich liefern wir unser schlankes Stangenmaterial nicht nur mit zylindrischem Querschnitt aus, sondern auch mit polygonem. Das sollte auch für dicke Stangen gelten. Vermutlich geht es sogar recht gut. Wir haben es nur noch nicht probiert. Wären Stangen mit großem rechteckigem Querschnitt wiederum auch ein Ausgangspunkt für effizient zu erzeugende Flachteile? Die Nachfrage nach ihnen scheint zu steigen. Aber auch das gilt es noch auszuprobieren.