Hülle statt Fülle.
Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe als Beschichtungswerkstoff – ein Ausblick
Verschleißfeste, gleit- oder leitfähige Oberflächen auf leichten oder hochfesten Bauteilen – bei so mancher Anwendung wäre es von Vorteil, Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe nicht massiv, sondern lediglich als Oberflächenschicht einzusetzen. Doch geht das? Bekanntlich handelt es sich hierbei um oxiddispersionsverfestigte Werkstoffe, sogenannte ODS-Kupfer. Viele klassische Beschichtungsverfahren scheiden für sie aus. Doch nicht alle – und es gibt bereits Wegweiser, die mögliche Marschrichtungen für Verfahrenstests aufzeigen. Schauen wir einmal genauer hin.

Dick auf Stahl und Leichtmetall
Welche Grundwerkstoffe kommen zur Beschichtung infrage? Wie eingangs erwähnt, geht es im Zusammenhang mit Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen vor allem um besondere Oberflächen-Eigenschaften in hochbeanspruchten Konstruktionen. Daher stehen dicke Oberflächenschichten im Vordergrund, und Stahl ist vorrangiger Grundwerkstoff. Unterschiedlich wie sie in ihrem Werkstoffaufbau sind, bilden Stahl und Kupfer zwar keine ideale Paarung, aber prinzipiell ist sie möglich. Weitere potentielle Grundwerkstoffe sind hochfeste Leichtmetalle, die in der Antriebstechnik Anwendung finden, also etwa Aluminium-, Aluminium-Silizium- oder Titanlegierungen. Auch von Spezialkunststoffen und Leistungskeramik könnte die Rede sein, aber das steht im Frühstadium der Entwicklung noch in weiter Ferne.
Kaltes Beschichten
Der Grund, warum die meisten klassischen Verfahren zur Oberflächenbeschichtung bei Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen nicht funktionieren, ist einfach: Sie sind mit hohem Wärmeeintrag und einem Aufschmelzen des Beschichtungswerkstoffs verbunden. Das aber würde den Verlust der speziellen ODS-Eigenschaften bedeuten: vor allem den der in diesem Blog schon oft zitierten LT-Eigenschaft. Beim Schmelzen nämlich würde sich die charakteristische Dispersoidstruktur im Gefüge auflösen. Es gibt zumindest drei Typen von Beschichtungsverfahren, die „ohne“ auskommen:
- das Kaltwalzplattieren,
- das Sprengplattieren (auch Explosionsplattieren genannt) und
- das Kaltgasspritzen.
Könnten sich diese drei Verfahrenstypen also eignen, um dicke Beschichtungen aus Kupfer-Hochtemperatur-Werkstoffen zu erzeugen? Fest steht: Es liegen bislang fast keine Erfahrungen vor. Wir müssen es also testen. Womit ist dabei zu rechnen?
Kaltwalzplattieren
Bei diesem traditionellen Verfahren werden Bleche zweier Werkstoffe bei Temperaturen unterhalb der Rekristallisationstemperatur des niedrigerschmelzenden Werkstoffpartners (in den meisten Fällen also des Kupfers) zusammengewalzt. Statt hoher Temperatur wird hohe Umformenergie aufgewendet, um einen Werkstoffverbund zu erzeugen. Stahl kann auf diese Weise durchaus mit Kupfer plattiert werden; erprobt wurde bislang aber wie gesagt nur klassisches Kupfer. Verarbeiten lassen sich nur mehr oder minder lange Bänder beider Werkstoffe – Halbzeuge, die anschließend noch eine finale Umformung und Bearbeitung zum Endprodukt durchlaufen müssen. Ein Beschichten voluminöser Teile mit komplexer Geometrie ist mittels Kaltwalzplattieren nicht möglich; bestimmte Anwendungen scheiden daher von vornherein aus. Zudem ist Bandmaterial aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff kein Selbstläufer. Klassische Halbzeuge sind hier bekanntlich Stangen. Tatsächlich kann man sie auch zu Bändern verarbeiten. Die Frage ist nur, wie kosteneffizient, vor allem aber, wie behutsam im Sinne der Umformung das möglich ist. Wird das Umformvermögen des Werkstoffs bereits bei der Banderzeugung ausgeschöpft, dann gibt es Probleme beim nachfolgenden Kaltwalzplattieren.
Sprengplattieren
Wenn bei der Beschichtung nichts mehr geht, dann, so heißt es, geht immer noch Sprengplattieren. Bei diesem Verfahren werden Halbzeuge beider Werkstoffe auf Lücke zusammengelegt. Zumindest das Halbzeug des Beschichtungswerkstoffs sollte dabei ein flaches Blech sein. Auf diesem, und zwar an einer Stelle, die durch die Geometrie des späteren Werkstücks definiert ist, wird eine Sprengladung angebracht. Die Zündung bewirkt eine wellenförmig sich ausbreitende Schock-Umformung mit Strahlbildung, sowie sie auch bei panzerbrechenden Artilleriegeschossen mit Hohlladung auftritt. Das sorgt für eine spezielle Art der Werkstoffverbindung. Die Paarung Kupfer – Stahl per Sprengplattieren ist auch hier prinzipiell möglich. Wiederum stellt sich aber die Frage, wie man zum Blech des Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffs kommt. Und: Mitunter entsteht, trotz des an sich kalten Prozesses, in bestimmtem Abstand von der Zündstelle eine Aufschmelzzone. Das wäre nachteilig, aber weil das Phänomen nicht generell auftritt, sollte man sich davon auch nicht beirren lassen.
Kaltgasspritzen
Bei diesem Verfahren wird Pulver eines Beschichtungswerkstoffs in einen Schutzgasstrom eingemischt und mit extrem hoher Geschwindigkeit durch eine de-Laval-Düse gepresst. Die Wirkung beim Auftreffen der Teilchen auf der Oberfläche des Grundwerkstoffs ist ähnlich wie die beim Sprengplattieren. Zwar läuft der Prozess nicht gänzlich kalt ab, aber eben unterhalb der kritischen Temperatur für Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe. Der Vorteil des Verfahrens liegt auf der Hand: Mit ihm lassen sich fertige voluminöse Bauteile jedweder Geometrie beschichten, und das mit variabler Schichtdicke. Zumindest die Beschichtung von Stahl mit klassischem Kupferpulver wurde bereits erprobt. Trotzdem gilt es auch hier mehrere Herausforderungen zu meistern. Die erste und grundsätzliche besteht darin, ein feines Pulver aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff zu erzeugen, denn das klassische Granulat, so wie es bei CEP Freiberg ermahlen und verarbeitet wird, ist zu grob.
HIP-Kapseln als Wegweiser?
Wie wir in diesem Blog bereits berichteten, greift CEP Freiberg mitunter zu einem speziellen Herstellungsverfahren, wenn es um voluminöse Halbzeuge aus Kupfer- Hochtemperaturwerkstoff geht. Gemeint ist das heiß-isostatische Pressen (HIP). Dieses Verfahren bedient sich stählerner Kapseln, die nach dem Prozess aufgeschnitten werden und letztlich in die Schrottkiste kommen – einschließlich einer fest am Stahl anhaftenden Restschicht aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff. Unser Bild zeigt ein solches Abfallstück. Zum einen belegt es, dass Umformprozesse, die unterhalb der für diesen Werkstoff kritischen Temperatur ablaufen, auch zu innigen Verbindungen aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff und Stahl führen können. Zum anderen stellt sich die Frage, ob man das HIP-Verfahren in diesem Sinne direkt als alternatives „Beschichtungsverfahren“ adaptieren könnte. Im Rahmen von Forschungsprojekten erkundet CEP Freiberg derzeit intensiv die Möglichkeiten der Oberflächenbeschichtung mit Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen.