Jetzt: die Düse mit den acht Leben

Ein neuer Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff und seine erste Anwendung in der Schweißtechnik

Vor vier Jahren berichteten wir an dieser Stelle über das wichtigste Fertigprodukt von CEP Freiberg: die Stromkontaktdüse mit fünffacher Lebensdauer. Heute nun stocken wir auf „achtfach“ auf. Aber eigentlich beginnt alles mit einem verbesserten Werkstoff. Er bildet die Grundlage sowohl für neue Hochleistungs-Stromkontaktdüsen als auch für viele weitere Anwendungen. Genau wie beim letzten Mal war jedoch die konkrete Anwendung „Düse“ der Auslöser für die Entwicklung. Daher sollten wir in der zeitlichen Abfolge der Ereignisse berichten. So wird am ehesten deutlich, was man mit der Produktinnovation anfangen kann. Denn um eine solche geht es.

Mit bloßem Auge erkennt man die neuen Stromkontaktdüsen am eingeprägten „WDC“. Den Unterschied im Werkstoff, die zusätzlichen Hartstoffpartikel, sieht man nur unter dem Mikroskop.

Voilà die Stromkontaktdüse

Im März 2021 berichteten wir über Stromkontaktdüsen (auch: Stromkontaktrohre, Stromdüsen) für Schweißapparaturen. Wer genau wissen will, was es damit auf sich hat, kann hier noch einmal nachlesen. CEP Freiberg hatte seinerzeit ein Verbundrohr namens CEP DISCUP®+Cu entwickelt. Mit ihrem Kern aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff erreichen aus diesem Verbundrohr gefertigte Stromkontaktdüsen eine etwa auf das Fünffache gesteigerte Lebensdauer, verglichen mit konventionellen Düsen aus CuCr1Zr. „Etwa“ meint: Der genaue Wert hängt auch von den jeweiligen konkreten Schweißbedingungen ab. Aber wie gravierend der Unterschied in jedem Fall ist, belegen die Verkaufszahlen. Wenn wir nun also von Hochleistungs-Stromkontaktdüsen mit achtfacher Lebensdauer sprechen, dann tun wir das genau in diesem vorgenannten Sinne. Hinter der Pauschalangabe verbergen sich eindrucksvolle konkrete Standzeiten. Hergestellt werden die neuen Düsen so wie seinerzeit beschrieben. Nur der Werkstoff des Kerns wurde modifiziert.

Additive Fertigung als Innovationstreiber

Mittels Additiver Fertigung lassen sich Bauteile mit komplexer Geometrie inzwischen oft effizienter fertigen als mit klassischen Verfahren der Formgebung. Dampfturbinenschaufeln, wie sie in Kraftwerken zur Energiegewinnung eingesetzt werden, zählen dazu. Hersteller von Kraftwerksanlagen suchen deshalb nach einem geeigneten Verfahren zur additiven Fertigung dieser großen teuren Bauteile. Noch besser aber wäre es, wenn sich mit ihm zusätzlich auch Reparaturen an verschlissenen oder gebrochenen Schaufeln ausführen ließen. Vor einigen Jahren hatte eines der bedeutendsten Unternehmen in diesem Bereich – Siemens Energy – gemeinsam mit anderen Unternehmen und mit Forschungseinrichtungen ein aus Bundesmitteln gefördertes Forschungsprojekt aufgesetzt. Ziel: ein additives Fertigungsverfahren, das beides kann, zu identifizieren und für den speziellen Zweck einsatzfähig zu machen.

Achillesferse Stromkontaktdüse

Das Verfahren als solches stand bald fest: Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) –drahtbasiertes Metall-Schutzgasschweißen. Zugleich wusste man um die damit verbundene Achillesferse: die Standzeit der Stromkontaktdüsen. Zwar waren den Projektpartnern die langlebigen Produkte aus CEP DISCUP®+Cu bereits bekannt, aber in diesem Fall reichte deren Leistungsangebot nicht. Eine Grundanforderung bestand darin, die gesamte Schweißung aus Qualitätsgründen ohne jegliche Unterbrechung auszuführen – Düsenwechsel ausgeschlossen. Die Rede war dabei von 82 Stunden! Verschärfend kommt hinzu, dass das Schweißgut, der Draht also, aus Thermanit besteht, einem Sonderwerkstoff, der selbst für Hochtemperaturverschleiß ausgelegt ist. Auszugehen war also von einem Kräftemessen zwischen Düse und Draht. Die Aufgabe von CEP Freiberg, ebenfalls Partner des Projekts, bestand darin, einen Werkstoff für das Kernrohr zu entwickeln, mit dem dieser – im Wortsinn – Drahtseilakt gelingen konnte.

Die Lösung: Wolfram-DISCUP®

Die Lösung bestand in einer Modifikation des bisherigen Kernrohrwerkstoffs. Hinzugefügt wurden Hartstoffpartikel aus Wolfram. Wen das an verschleißbeständige Bohrer oder Fräswerkzeuge erinnert, kann sich bestätigt fühlen. Auch sie basieren auf pulvermetallurgischen Werkstoffen mit eingebetteten Hartstoffpartikeln. Der Unterschied: Bei Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen handelt es sich um ODS-Kupfer, also um dispersionsverfestigte pulvermetallurgische Werkstoffe. Im neuen Wolfram-DISCUP® überlagern sich also die Effekte der eingebrachten Dispersoide und die der Hartstoffpartikel. Mit dem Werkstoff gefertigte Düsen (in diesem Fall basierend auf dem System Fronius M10 x 40) bestanden den Härtetest. Die Reparaturschweißungen gelangen.

Mehr Düsen, aber nicht alle

Natürlich ist die Lösung nicht ausschließlich ans Auftragsschweißen gebunden. Auch Langnahtschweißungen brauchen Zeit und werden ohne Unterbrechung besser: etwa bei großen Anlagen oder Fahrzeugrümpfen, zumal im Sicherheitsbereich. CEP Freiberg wird daher nach Bedarf Hochleistungs-Stromkontaktdüsen auf der Basis von Wolfram-DISCUP® und gemäß seinem Düsenprogramm fertigen. Bekanntlich bietet es Passfähigkeit zu vielen namhaften Systemen bietet, etwa:

  • Binzel
  • Cloos
  • Dinse
  • Fronius
  • OTC
  • Panasonic
  • SKS.

Hinzu kommen Sondergeometrien. Automatisch stellt sich damit die Frage, ob die bisherigen Stromkontaktdüsen aus CEP DISCUP®+Cu nun obsolet werden. Die Antwort lautet: keinesfalls! Der neue Werkstoff lässt sich nicht ganz so flexibel zu Verbundrohr verarbeiten wie der bisherige – zumindest noch nicht. Das betrifft sowohl die Abmessungen, als auch Variationen der Rohr-Innenkontur. Und natürlich ist Wolfram-DISCUP® auch teurer. Selbst wenn es technisch geht, muss man also abwägen. Zu erkennen sein werden die neuen Düsen an einem äußeren Merkmal: In ihren Schaft sind die bei allen Düsen von CEP Freiberg üblichen zwei Ringe eingestochen. Darüber hinaus aber sind sie mit den der Markierung „WDC“ versehen. Bei beiden Merkmalen handelt es sich um geschützte Warenzeichen.

Mehr Verschleißbeständigkeit

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Wolfram-DISCUP® ist nicht an Verbundrohr und Stromkontaktdüsen gebunden. Der Werkstoff, so viel lässt sich absehen, ist überall dort einen Anwendungsversuch wert, wo es um abrasiven Verschleiß bei hohen Temperaturen geht. Je nach Bedarf kann CEP Freiberg Halbzeuge in Form von Stangenmaterial liefern. Schlussbemerkung: Das Wolfram – von der Deutschen Rohstoffagentur DERA wurde es als kritischer Rohstoff eingestuft – bezieht CEP Freiberg ausschließlich aus zertifizierter Quelle und gewährleistet auch Lieferketten-Rückverfolgbarkeit.