Nicht alles, was mit „ODS“ beginnt, endet auf „Kupfer“.

Oxid-dispersionsverfestigte Werkstoffe im Überblick

Unsere Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe gehören bekanntlich zur Werkstoffgruppe der ODS-Kupfer. Allerdings ist der Mechanismus der Oxid-Dispersionsverfestigung – eben: „ODS“ – nicht ausdrücklich an dieses eine Metall gebunden. Er funktioniert auch bei anderen. Die Frage ist nur, ob es sich lohnt, denn der Aufwand zur Erzeugung solcher Werkstoffe ist hoch. Man muss die besonderen Eigenschaften wirklich dringend benötigen, um ihn zu treiben. Beleuchten wir heute also das Thema ODS-Werkstoffe.

Zwei identische Chemikalienflaschen, eine gefüllt mit Kupfer-, die andere gefüllt mit
Eisenpulver (oder etwas, das danach aussieht)
Pulvermetallurgie ist die Voraussetzung zur Erzeugung von ODS-Werkstoffen

Oxid-Dispersionsverfestigung, was ist das?

ODS-Werkstoffe sind in der Lage, harten Einsatzbedingungen besser zu widerstehen als konventionelle, die aus dem jeweils gleichen Basismetall bestehen. In unserem Fall führt das zum Gattungsnamen „Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe“. Er mutet zuerst wie ein Widerspruch an, denn konventionelles Kupfer ist bekanntlich alles andere als temperaturbeständig. ODS-Kupfer hingegen verträgt fast doppelt so hohe Einsatztemperaturen. So kann man beispielsweise seine Eigenschaften als hervorragender Leiter für Elektrizität und / oder Wärme in einem Temperaturbereich anwenden, der Kupfer normalerweise verschlossen bleibt. Aber auch andere Eigenschaften verbessern sich – beispielsweise die Beständigkeit gegen ionisierende Strahlung. Und das gilt eben nicht nur für ODS-Kupfer. Schon in unserem ersten Beitrag war vom Verfestigungsmechanismus ODS die Rede. Seinerzeit sind wir nicht ausführlich darauf eingegangen – zu speziell für den Anfang! Heute aber haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, schon „Background“. Wir können also etwas in die Tiefe gehen. Worauf beruht die Verfestigung metallischer Werkstoffe?

Klassischer Mechanismus: Mischkristallverfestigung

Sind Metalle zu weich für eine Anwendung, dann wird ihre Festigkeit zumeist durch ein Legieren mit anderen Metallen, die eine sogenannte Mischkristallverfestigung bewirken, angehoben. Oft geschieht dies in Kombination mit einer nachfolgenden Wärmebehandlung. Bekanntestes Beispiel ist das klassische Legieren und Härten von Stahl. Dafür braucht man nicht selten höhere Dosen an Zusatzelementen. Der Verfestigungseffekt beruht, sehr vereinfacht gesagt, in einer Verzerrung des Basismetall-Kristallgitters durch die „ordnungsgemäße“ Einlagerung der Fremdatome in selbiges. Sie passen dort nie ganz, und das behindert die Bewegung von Gitterfehlstellen, Versetzungen genannt, welche die Grundlage jeglicher Metallverformung ist. Sinkende Verformbarkeit – höhere Festigkeit!

Ein zweiter Mechanismus: Ausscheidungsverfestigung

Bei der Ausscheidungsverfestigung hingegen werden dem Basismetall in Minimaldosierung Metalle zugegeben, die sich bei der Wärmebehandlung gerade nicht ins Gitter einordnen, sondern stattdessen störende Partikel aus nichtmetallischen Verbindungen ausbilden – zumeist Carbide oder Nitride. Zwar haben sie noch einen gewissen Bezug zum Kristallgitter, aber sie behindern ebenfalls die Versetzungsbewegung. Insbesondere, wenn sie in feiner Verteilung im Mikrogefüge des Basismetalls eingelagert sind, tun sie das sehr effektiv und verfestigen damit den Werkstoff. Das Problem besteht darin, dass sich die Effekte beider klassischer Verfestigungsmechanismen bei steigender Temperatur oder eben auch unter dem Einfluss ionisierender Strahlung verflüchtigen.

Dispersionsverfestigung ist anders

In solchen Fällen kommt die Dispersionsverfestigung auf den Plan. Zwar ist sie mit der Ausscheidungsverfestigung verwandt, im Detail aber ist sie anders. Sie beruht ebenfalls auf Partikeln – aber nicht auf solchen, die sich auf natürliche Weise in der Mikrostruktur des Metalls ausscheiden. Bei der Dispersionsverfestigung heißt es zusammenbringen, was eigentlich nicht zusammengehört. Man könnte es auch eine metallurgische Zwangsehe nennen. Die Partikel müssen vor allem drei Eigenschaften aufweisen:

  • Sie müssen thermisch mindestens so stabil sein wie das Basismetall,
  • Sie dürfen auch nicht ansatzweise mit dem Kristallgitter des Basismetalls harmonieren und
  • Sie müssen so klein und fein verteilt sein wie natürliche Ausscheidungen.

Die erste Anforderung erklärt sich von selbst. Der Effekt soll möglichst bis knapp an die Grenze der Schmelztemperatur heran erhalten bleiben. Insbesondere einige Metalloxide können das – daher: Oxid-Dispersionsverfestigung. Die zweite Anforderung ist wichtig, um den Versetzungen das Bewegen so schwer wie möglich zu machen. Passt das Kristallgitter der Partikel nicht zu dem des Basismetalls, so ist Versetzungsbewegung nur mit hohem Energieaufwand möglich. Die Versetzungen können die Partikel nicht auf einer gut zum Weg passenden Gitterebene durchschneiden, sondern müssen sie umgehen. Auch das mit der feinen Verteilung ist klar: Es muss überall im Metall funktionieren, und die Partikelverteilung muss so dicht sein, dass sich die Versetzungen an ihnen aufstauen und sogar gegenseitig behindern.

Nur auf pulvermetallurgischem Weg

Solche inkongruenten und zugleich feinen nichtmetallischen Einschlüsse im Kristallgitter aber lassen sich auf klassischem schmelzmetallurgischem Weg nicht erzeugen – sondern nur auf pulvermetallurgischem. Bislang sind nur zwei alternative Wege bekannt, dies zu erreichen:

  • Innere Oxidation und
  • Reaktionsmahlen / mechanisches Legieren.

Im ersten Fall wird das fertige Pulvergemisch aus Basis- und Zusatzmetallen einer Wärmebehandlung unterzogen, in deren Verlauf sich die Zusatzmetalle in ODS-wirksame Oxide verwandeln. Es ist der „Klassiker“ – die meisten ODS-Werkstoffe (viele sind es ohnehin nicht) entstehen so. Der zweite Weg wird hingegen extrem selten angewandt, beispielsweise eben von CEP Freiberg. Hierbei werden die fertigen Fremdteilchen zu Nanopartikeln zerrieben und ins Basismetall eingemahlen. Wir sind überzeugt, dass dieser Weg zum besseren Ergebnis führt. Zudem zeigt sich auch, dass insbesondere ODS-Werkstoffe mit komplexer aufgebauten Basismetallen nur auf diese Weise erzeugt werden können. Was genau auf atomarer Ebene dabei passiert, ist tatsächlich noch „Black box“. (Sollten wir es je herausfinden, werden wir es trotzdem nicht verraten.) Im Ergebnis entsteht zunächst ein Granulat des fertigen Werkstoffs.

Der Flaschenhals der Kompaktierung

Es gibt nur einige wenige Verfahren, um aus Pulver bzw. Granulat feste Halbzeuge herzustellen. Über das indirekte Strangpressen und das Heißisostatische Pressen unserer Kupfer- Hochtemperaturwerkstoffe wurde bereits ausführlich geschrieben. Die gleiche Verfahrensauswahl gilt für andere ODS-Werkstoffe auch. Wir wollen es hier nochmals erwähnen, weil es die Herstellung nicht eben vereinfacht oder verbilligt – und weil es zugleich die Halbzeug-Abmessungen limitiert. Nicht die eingesetzten Metalle und Zusatzstoffe machen ODS-Werkstoffe zu Sonderwerkstoffen. Es ist die aufwändige Herstellung.

Und welche ODS-Werkstoffe gibt es nun?

Im Labormaßstab gibt es ODS-Werkstoffe bereits seit Ende der 1970er Jahre. Damals wurde – zunächst ergebnisoffen – mit oxid-dispersionsverfestigtem Aluminium und mit entsprechenden Aluminiumlegierungen experimentiert. Doch die Entwicklung kam nicht recht voran. Erst als die oben beschriebenen Herstellungsverfahren technologische Reife erlangten und man zugleich über das nachzudenken begann, was wir bei CEP Freiberg LT-Anwendungen nennen, kam die Sache ins Rollen. Gesucht wurden nun hochtemperaturbeständige Leiterwerkstoffe – also geriet Kupfer in den Fokus. In der Tat stehen ODS-Kupfer heute im Zentrum der Werkstoffgruppe. Doch das muss nicht so bleiben. In der Entwicklung begriffen sind derzeit auch ODS-Stähle, wobei es sich in den meisten Fällen um ODS-Modifikationen hochlegierter Kraftwerksgüten handelt.