Sie sind hart, wenig anziehend, und machen es kurz
Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe als Alternativen zu Beryllium- und Automatenkupfer
Sollten zurückliegende Beiträge den Eindruck erweckt haben, bei Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen gehe es nur um Anwendungen, die Leitfähigkeit und Festigkeit bei hohen Temperaturen miteinander kombinieren, so wollen wir hier damit aufräumen. Sie können noch mehr. Zwei Einsatzbereiche wollen wir an dieser Stelle beschreiben, die, bildlich gesprochen, ganz in den Bereich der Mechanik fallen. Auch dort helfen sie, unliebsamen Engstellen bei der Werkstoffwahl auszuweichen – ähnlich wie im Falle der LT-Anwendungen.
Ungesunde Festigkeit
Es gibt insbesondere zwei Einsatzfälle, in denen die Festigkeitseigenschaften von Stahl gefordert sind, er aber nicht verwendet werden darf, weil entweder
- Ferromagnetismus oder
- Funkenbildung
ausgeschlossen werden müssen. Den ersten Fall kennen Uhrmacher, Feinmechaniker oder auch Mechatroniker nur zu gut. Auf stählerne Zahnräder, Hebel oder Federn müssen sie in vielen Fällen verzichten, denn diese hätten unter dem Einfluss äußerer Magnetfelder in etwa die Wirkung von Sand im Getriebe. Am schärfsten sind die Anforderungen dort, wo es um elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) geht.
Der zweite Fall ist auf Offshore-Plattformen und in der Öl- und Gasindustrie an der Tagesordnung. Wenn dort, wie überall auf der Welt, zuweilen etwas justiert oder repariert werden muss, dann sind stählerne Werkzeuge und Vorrichtungen oft verboten: Sie könnten Funken schlagen.
In beiden Fällen behilft man sich oft mit einem Ersatzwerkstoff namens Berylliumkupfer (auch Kupferberyllium oder Berylliumbronze genannt), Kurzformel der bekanntesten Werkstoffvariante: CuCo2Be. Es handelt sich um eine klassische Knetlegierung, die im Grundzustand relativ weich und gut zu bearbeiten ist, die aber durch eine Wärmebehandlung zur Ausscheidungshärtung gebracht werden kann. Dann erreicht der Werkstoff die Festigkeit und Härte von Stahl; seine Beständigkeit gegen Reibverschleiß und seine Federeigenschaften sind im Vergleich mit jenem sogar besser.
Problem also gelöst? Nicht ganz: Häufig ist auch Berylliumkupfer verboten, und zwar aus Gründen des Gesundheitsschutzes. Der bei der mechanischen Bearbeitung des Werkstoffs freigesetzte Berylliumstaub stellt leider ein hochwirksames Allergen dar. Er verursacht schwere Kontaktekzeme und eine silikoseähnliche chronische Lungenkrankheit. Dann ist guter Rat teuer – oder auch nicht.
Die gesündere Alternative
Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe könnten die Lösung sein. Sie sind ebenfalls antimagnetisch, hart und fest. Ihre Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß kann sich definitiv mit der von Berylliumkupfer messen. Sie weisen gute Federeigenschaften auf, und gefahrlos verarbeiten lassen sie sich allemal.
Insbesondere die Werkstoffqualität CEP DISCUP® C3/11-M wäre hier ins Auge zu fassen; ihre Festigkeitseigenschaften können sich mit denen von CuCo2Be messen.
In zweiter Instanz kommt dann womöglich auch wieder die elektrische Leitfähigkeit ins Spiel, die ja – Stichworte: Gerätetechnik und EMV – bei einigen der betrachteten Anwendungen zusätzlich gefordert ist. Hier sind die Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe dem Berylliumkupfer sogar haushoch überlegen.
Übrigens muss man sie nach der Bearbeitung auch nicht erst wärmebehandeln, damit sich Härte und Festigkeit einstellen. Das geschieht bei Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen bekanntlich von selbst, wodurch Zeit und Energie eingespart werden. Im Fall der Wahl eines Stahl-Ersatzwerkstoffes lohnt es sich also, alle Umstände abzuwägen.
Der Werkstoffpreis dürfte jedenfalls kaum das Zünglein an der Waage sein. Er wird in beiden Fällen vom Kupferpreis bestimmt.
Zerspanen nach Herzenslust
Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe lassen sich nicht nur gefahrlos bohren, drehen, fräsen oder schleifen, sondern auch ganz besonders komfortabel: Wie viele pulvermetallurgische Werkstoffe sind sie ausgesprochene „Kurzspaner“. Und damit kommen wir zu einer weiteren möglichen Anwendung: derjenigen, bei der die mechanische Bearbeitbarkeit an erster Stelle der Anforderungen steht. Bekanntlich gibt es Teile, die anwendungsbedingt aus Kupfer sein müssen (beispielsweise in der Elektrotechnik, im Maschinen- und Anlagenbau und in der Medizingerätechnik), deren äußere Form aber so kompliziert ist, dass sie bei der Herstellung viel Arbeit machen. Was bei anderen Metallwerkstoffen kein Problem wäre, wird bei Kupfer zu einem: Es lässt sich nur schwer zerspanen, macht lange Späne und „schmiert“. Die Bearbeitung dauert daher lange, und der Werkzeugverschleiß ist hoch.
Klassische Werkstoffkompromisse sind hier mit Tellur oder Schwefel legierte, so genannte Automatenkupfer. Die Legierungselemente wirken im schmelzmetallurgisch erzeugten Kupfer als Spanbrecher, verbessern also die Bearbeitbarkeit. Aber sie senken auch die Festigkeit. Bei Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen ist das bekanntlich nicht der Fall, und ihre überlegene Verschleiß- und Temperaturbeständigkeit kommt bei Bedarf noch hinzu. Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe als Ersatz für Automatenkupfer – das könnte daher eine noch einfachere Entscheidung sein als im Falle des Berylliumkupfers.
Aber was ist mit großformatigen Dreh- und Frästeilen, um die es bei den genannten Anwendungen häufig geht? Stoßen hier die via Strangpressen erzeugten Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe als Ersatzwerkstoffe nicht an ihre Grenzen? Nicht wirklich. Wenn es sein muss, kann man auf andere Weise auch voluminöse Halbzeuge aus ihnen herstellen. Wir haben das sogar schon getan. Aber das ist ein neues Thema für einen späteren Beitrag.