Es muss nicht immer rund laufen

Stangenmaterial aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen mit speziellem Querschnitt

Ist von stranggepressten Stangen aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen die Rede, dann denkt man automatisch an solche mit kreisrundem Profil. Tatsächlich machen sie einen großen Teil der Bestellungen unserer Kunden aus. Aber wir können auch anders. Nicht immer nämlich wäre das runde Profil im Sinne der Weiterverarbeitung zum Endprodukt ideal. Die indirekte Strangpresse von CEP Freiberg erlaubt auch alle möglichen anderen Profilgeometrien. Dabei sind wir nicht nur auf eine Standardauswahl beschränkt. Unsere Kunden können sogar ihre individuellen Profile bestellen. Heute wollen wir zeigen, was hierbei geht.

Verschiedene prismatische Profilgeometrien für stranggepresstes Stangenmaterial aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen

Drei, vier, viele Ecken ­– oder gar keine.

Dass es vorteilhaft ist ein Halbzeug zu haben, dessen Form schon ein wenig das künftige Endprodukt erahnen lässt, bedarf eigentlich keiner langen Erläuterung. Je geringer der Aufwand bei der mechanischen Bearbeitung, desto besser. Es spart nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Material-, Transport- und Werkzeugkosten.

Stangen aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffen entstehen bei CEP Freiberg bekanntlich durch indirektes Strangpressen. In puncto erzeugbarer Profilquerschnitte ist dieses Verfahren erstaunlich liberal. Deshalb kann unser Stangenmaterial sowohl mit rundem Querschnitt angeboten werden als auch mit quadratischem, recht- oder dreieckigem. Weil aber auch mehr als nur vier Ecken gehen, sprechen wir lieber allgemein von prismatischen Querschnitten. Viele Kombinationen aus Kantenlängen sind dabei möglich. Auch Symmetrie ist keine Pflicht, und sogar kleine Extras wie abgerundetet Kanten oder Nuten sind nicht ausgeschlossen. Natürlich geht es auch ganz ohne Ecken und Kanten: Linsenförmige oder ovale Profile gehören ebenfalls zum Angebot.

Drei Beispiele

Schon viele Kunden haben bei uns Stangen von nicht-rundem Profil bestellt. Manchmal erfahren wir, warum. Ein Industrieofen-Hersteller beispielsweise wollte seine nach dem Durchlaufprinzip arbeitenden Induktionsöfen gerne mit verschleißresistenten Gleitschalen aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff ausstatten. Zuvor waren die Bauteile aus rostbeständigem Stahl gewesen, was zu Anhaftungen aus dem Material der den Ofen durchlaufenden Produkte geführt hatte; aber dies nur nebenbei. Gleitschalen – der Name des Bauteils deutet es bereits an: Hier war ein sehr flaches rechteckiges Strangpressprofil gefragt. CEP Freiberg konnte es liefern.

Ähnlich verhielt es sich mit jenem Hersteller von Laborwärmegeräten, der neue Wärmeleitbleche wollte. Diese sollten ihre Aufgabe erfüllen, ohne sehr bald an Festigkeit einzubüßen, so wie es die bisherigen aus klassischem Kupfer getan hatten. Natürlich konnte CEP Freiberg die Bleche nicht auf Endmaß liefern, aber doch ein so flaches Stangenmaterial, dass nur noch wenig Bearbeitung vonnöten war.

Rechteckiges Profil, in dem Fall mit kleinem Extra, brauchte auch ein Hersteller von filamentbasierten CVD-Beschichtungsanlagen (CVD – chemical vapor deposition, chemische Gasphasenabscheidung). Hier ging es um die effiziente Herstellung der Filamenthalter, also der Tragrahmen für die Spulen, von denen der Faden mit dem Beschichtungsmaterial abgewickelt wird. Sie werden in relativ hohen Stückzahlen gebraucht. Filamenthalter müssen hervorragend Strom und Wärme leiten und zugleich die mit dem Prozess verbundenen hohen Temperaturen ertragen.

Alle drei Fälle sind damit übrigens auch hervorragende Beispiele für jene LT-Anwendungen, bei denen unsere Kupfer-Hochtemperaturwerkstoffe zur Hochform auflaufen und von denen in diesem Blog schon so oft die Rede war.

Manchmal ist die Länge entscheidend

Insbesondere, wenn auch das Endprodukt sehr lang und schlank sein soll, dann kann man womöglich gar nicht anders, als schon mit dem Halbzeugprofil direkt aufs Ziel zuzusteuern. Der mechanischen Bearbeitung über die gesamte Werkstücklänge hinweg sind technische Grenzen gesetzt. Entweder lassen sich die geforderten Maßgenauigkeiten nicht erreichen, oder es fehlt schlicht an geeeigneten Maschinen.

Genau dies war auch bei einer Anwendung der Fall, die bereits in einem frühen Beitrag dieses Blogs (Juni 2020) beschrieben wurde: „Skelette im CERN“. Wir erinnern uns? Wenn nicht, bitte einfach noch mal nachsehen. Bei den Stützstrukturen, die CEP Freiberg hier liefert, handelt es sich um Abstandskeile für die Magnetspulen, die so genannten Coil wedges. Es sind vier Meter lange, extrem schlanke Stangen aus Kupfer-Hochtemperaturwerkstoff, mit denen die Zwischenräume der in einem langen Rohr übereinander gestapelten Magnetwicklungspakete aufgefüllt werden müssen. Weil es also um Kreisausschnitte geht, müssen die Stangen ein Dreiecksprofil haben. Vier Meter Länge, dicht gepackt im Rohr – da muss alles von Anfang an auf den Zehntelmillimeter genau stimmen, Nachbearbeitung ausgeschlossen. Selbst Asymmetrie ist noch mit im Spiel: Es werden mehrere verschiedene Dreiecksprofile und sogar quasi-dreieckige Polygonprofile benötigt. Um sie visuell unterscheiden zu können, wird in einige beim Strangpressen eine Längsnut mit eingeprägt. Wer sich ein besseres Bild davon machen möchte, beachte bitte den unten angeführten Fachartikel zum Thema. Er ist im Internet verfügbar.

Was prinzipiell geht

CEP Freiberg verfügt bereits über ein großes Repertoire an Stranggeometrien. Meist können die Kunden darauf zurückgreifen. Soll indes etwas Neues entstehen, muss der Kunde es gemeinsam mit uns planen. Die indirekte Strangpresse von CEP Freiberg bringt hier natürlich ihre die Freiheit begrenzenden Maschinenparameter mit. Die wichtigsten sind:

  • maximale Presskraft,
  • Füllvolumen des Rezipienten und
  • Matrizendurchmesser.

Um sich besser vorstellen zu können, wie diese Paramter wirken, hilft eine banale Analogie: die der Schlagsahnespritze beim Backen. Nach oben hin ist bei ihr die Strangdicke durch die Konstruktion der Spritze begrenzt. Dünner geht es zwar, aber wird dabei ein gewisser Wert unterschritten, reicht die Druckkraft der Hand nicht aus, den Strang zu erzeugen – Lochdurchmesser zu gering. Will man einen besonders dicken Sahnestrang produzieren, dann kann er nicht zugleich auch noch maximale Länge haben – dem steht das begrenzte Füllvolumen der Spritze entgegen.

Damit zurück zur Strangpresse: CEP Freiberg kann im Mittel Stangen von 3,20 Metern Länge erzeugen. Unter Beachtung der oben genannten Prämisse gehen aber maximal 4,20 Meter (vgl. Coil wedges). Das ist relativ einfach. Komplizierter verhält es sich mit der Matrize, also dem Presswerkzeug. In sie muss bekanntlich das Pressprofil als Negativform eingebracht werden. Wegen des fixen Außendurchmessers der Matrize darf der das Profil umschreibende Kreis maximal einen Durchmesser von 30 Millimetern haben. Was indes die Begrenzung nach unten angeht, so hilft nur ein Mix aus Praxiserfahrung und Berechnung, um entscheiden zu können, ob ein bestimmtes Profil geht.

Erfahrungssache sind dabei auch die schon erwähnten kleinen Extras wie etwa Längsnuten. Zu schmale und tiefe Nuten gehen nicht; durch sie würde die Matrize beim Pressen zerstört.

Die Matrize, konkret der in einen ringförmigen stählernen Halter eingebettete Matrizeneinsatz, besteht aus einer hochwarmfesten Nickel-Basislegierung. Dabei handelt es sich um einen sehr kostspieligen und schwer zu bearbeitenden Werkstoff. Die Kosten für ein neues Werkzeug teilt CEP Freiberg sich deshalb in der Regel mit dem Kunden. Lediglich bei hohen Stückzahlen zahlt der Kunde nicht.

Im Übrigen werden die Stangen – egal, welches Profil sie haben – nach dem Pressen von uns kaltgereckt, um ein Maximum an Maßhaltigkeit zu erzielen.

https://arxiv.org/abs/1711.07022

Fachartikel:

Scheuerlein, C., F. Lackner, F. Savary, B. Rehmer, M. Finn und C. Meyer: Thermomechanical Behavior of the HL-LHC 11 Tesla Nb3Sn Magnet Coil Constituents During Reaction Heat Treatment. IEEE Transactions on Applied Superconductivity, Vol. 27, June 2017